Mission ohne Missionar?

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber bei mir löst diese Überschrift sofort Fragen aus: Gibt es überhaupt Mission ohne Missionar? Wer oder was ist ein Missionar? Was ist Mission eigentlich? Auch wenn wir hier nicht alle Antworten auf diese Frage finden können, will ich doch den Versuch wagen einige Gedankenanstöße weiterzugeben.

Auf der einen Seite sagt der Herr Jesus uns im Missionsbefehl: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“ (Matthäus 28,18)

Das bedeutet im Umkehrschluss doch, dass der allmächtige Herr nicht auf Menschen angewiesen ist, die losgehen und missionieren…!? Auf der anderen Seite sagt er direkt im nächsten Vers: „Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“ (Matthäus 28,19-20)

Der Apostel Paulus schlägt in dieselbe Kerbe: „Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben?Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger?“ (Römer 10,14)

Offensichtlich möchte der Herr Missionsarbeit durch Menschen und mit seinen Predigern und Botschaftern gestalten. Aus diesem Grund sind seine Jünger zu Beginn der neutestamentlichen Gemeinde losgegangen, um zu predigen. Angefangen bei den Jüngern Jesu, dem Diakon Stephanus, dem Evangelisten Philippus, dem Heidenmissionar Paulus, von den ersten Jahrhunderten der Gemeinde durch die Kirchengeschichte bis in die heutige Zeit. Der Strom der Prediger, Botschafter und Missionare, die hingehen und predigen, ist nicht abgerissen.

So wie es zu allen Zeiten Menschen gab, die hingegangen sind, um zu missionieren, hat sich auch die Herangehensweise der Missionsarbeit im Laufe der Zeit nicht wesentlich verändert. Wie es in der Urgemeinde sowohl Massenevangelisationen gab (Pfingstpredigt von Petrus), als auch persönliche Evangelisation (Philippus und der Kämmerer aus Äthiopien), so auch heute. Wir proklamieren das Evangelium und fordern Menschen öffentlich zur Umkehr auf und praktizieren auch beziehungsaufbauende Evangelisation und Missionsarbeit.

Was sich jedoch im Laufe der Jahrhunderte immer wieder angepasst und verändert hat in der Missionsarbeit ist die Strategie. Jede Epoche hatte ihre eigene Art von Missionsbewegung.

Wenn wir uns die heutige Strategie der Missionsarbeit anschauen, so werden wir einen spannenden Wechsel feststellen. Die Missionsbewegungen des vergangenen Jahrhunderts geschah überwiegend „from the west to the rest“ (aus dem Westen in den Rest der Welt) – zumindest im Blick auf die Entsendung kulturüberschreitender Reichs-Gottes-Mitarbeiter. Heute sprechen wir von „Reverse Mission“ und meinen damit, dass Mission zurückkehrt. Die Völker und Nationen, die im letzten Jahrhundert Missionare empfangen haben, senden jetzt selbst Missionare weltweit aus. Um das Jahr 1900 lebten 90% der Christen weltweit in Nordamerika und Europa und nur 10% in Lateinamerika, Afrika und Asien. Heute ist das Verhältnis umgekehrt 22% zu 78%. Die Mehrheit der Christen hat sich im letzten Jahrhundert von der nördlichen Welthalbkugel sehr deutlich in den Süden verschoben. Länder wie Brasilien, Nigeria, Südkorea und die Philippinen senden mittlerweile viel mehr Missionare aus als die USA und Deutschland! Mit der Verschiebung der Christenheit in den globalen Süden hat sich in der Zwischenzeit auch die Missionsarbeit verändert. Bestand die Aufgabe der westlichen Missionare in der Vergangenheit primär darin, die große Last der Missionsarbeit alleine zu tragen, während die Einheimischen in der Regel nur „mitmachen“ durften, hat sich heute dieses Verhältnis komplett verändert. Die Rolle der meisten westlichen Missionare besteht nun in der Regel in einer unterstützenden Rolle. Sie unterstützen Missionare aus dem Globalen Süden nach Bedarf in Bereichen wie Training, Innovation und Expertise, während diese in den Bereichen „Manpower“, Diensteifer und kulturelle Nähe die Missionsarbeit vorantreiben. Wenn früher teilweise sogar eine gewisse Rangordnung von Missionar zu Einheimischen zu beobachten war, sind heute eine demütige Dienstbereitschaft und Partnerschaft auf Augenhöhe der Schlüssel für wirksame Zusammenarbeit.

Immer noch gibt es über 3 Mrd. Menschen auf dieser Welt, die noch nie von Jesus gehört haben. Die meisten von ihnen leben in Gegenden und gehören zu Volksgruppen, die keine Bibel in ihrer Sprache haben, keine Gemeinde und häufig keinen einzigen Christen, der ihnen das Evangelium bringen könnte.

Was sich durch die Jahrhunderte hindurch nicht verändert hat, ist die Wahrheit, die der Herr Jesus vor 2000 Jahren schon seine Jünger lehrte: „Die Ernte ist groß, aber wenige sind der Arbeiter. Darum bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende.“ (Matthäus 9,37-38)

Damals wie heute sucht Jesus Mitarbeiter, die bereit sind hinzugehen und Menschen aus anderen Sprachen, Kulturen und Ländern zu Jüngern zu machen. Auch heute wird Mission von Missionaren realisiert. Nach wie vor braucht die Gemeinde Missionare, die gehen und Missionare brauchen Gemeinden, die senden!

Über den Autor

Peter Wiebe

Peter Wiebe

Peter leitet als internationaler Koordinator das Team der Feldleiter von To All Nations, die die weltweiten Dienste verantworten.

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