Wie werde ich Missionar?

Ich bin in einer Familie mit einer sehr engen Verbindung zu einer christlichen Kirchengemeinde aufgewachsen. Regelmäßig hatten wir in dieser Gemeinde Besuche von Missionaren, die über ihre Arbeit berichtet haben. Es gab lange und langweilige Vorträge, meistens waren sie aber sehr spannend, manchmal mehrsprachig und häufig mit Bildern aus ganz anderen Welten. Es hat mich fasziniert und ich erinnere mich heute noch sehr gerne daran, wie ich versucht habe, mir diese andere Welt über die einzelnen Fotos hinaus vorzustellen. 

Zugleich erschienen mir auch die Missionare, die offensichtlich viel aus diesen fremden Welten aus eigenen Erfahrungen zu berichten hatten, sehr weit entfernt. Mir gegenüber, nur einige Reihen weiter vorne, fast zum Anfassen nah, standen diese großartigen Helden, die ihr ganzes Leben opferten und riskierten, um Menschen mit der guten Nachricht Jesu zu erreichen. Sie hatten bewegende Geschichten zu erzählen. Für mich als kleiner Junge waren Missionare Super-Helden. 

Und dann, so ziemlich am Ende jedes Berichts, lautete die Frage: „Lässt auch du dich in die Mission rufen? Wer möchte gehen? Wer lässt sich von Jesus zu den „verlorenen Schafen“ senden?“ Leider habe ich niemanden erlebt, der sofort aufstand und sagte: „Hier! Ich bin dabei!“ Das verstärkte meinen Eindruck, dass die Missionare da vorne schier unerreichbar zu sein schienen. Um Missionar zu werden, musste man offenbar ein Held sein – und dafür war ich der Falsche. 

Heute kann ich über meine kindliche Naivität nur schmunzeln. Leider sind mir immer wieder sehr ähnliche Geschichten begegnet. Daher vermute ich, dass ich kein Einzelfall bin, dem Mission und speziell die Missionare weit weg und so unnahbar zu sein schienen. Die Globalisierung hat dem Reisen in andere Länder hier und da etwas vom Exotischen genommen. 

Der Dienst des Missionars ist trotzdem häufig noch so ungewöhnlich und sagenumwoben, dass auch der Weg dahin entweder reiner Zufall oder ein unglaubliches und unerklärliches Wunder Gottes sein muss. Dabei sind es oft „nur” ganz normale Menschen, die nicht selten einen recht unspektakulären Weg in die Mission gehen und auch als Missionare längst nicht so spektakuläre Dinge tun, wie es manchem Außenstehenden erscheint. 

Natürlich ist der Weg zum Missionar sehr individuell. Aber es gibt ein paar Schritte, mit denen du recht gut herausfinden kannst, ob Gott dich in die weltweite Missionsarbeit berufen hat. 

Offenheit für Neues 

Der allererste Schritt ist äußerlich nicht wahrnehmbar. Dafür hat dieser Schritt gleich mehrere Ebenen. Man braucht die innere Offenheit dafür, neues kennenzulernen und sich darauf einzulassen um etwas zu tun, was man noch nie getan hat. 

Eine offene Haltung gegenüber Neuem ist in vielfacher Hinsicht hilfreich. Für einen zukünftigen Missionar gehört diese Eigenschaft aber zu seinen Kernkompetenzen. Ein Missionar ist vielen neuen Erfahrungen ausgesetzt. Es beginnt bei einem neuen Land, das man zukünftig kennenlernen wird. Dieser Kennenlernprozess ist nicht in einem Monat abgeschlossen. Es geht weiter bei der neuen Sprache, die der Missionar erlernen muss, um überhaupt von Herz zu Herz mit den Menschen kommunizieren zu können. Die Sprache zu erlernen kann zeit- und arbeitsintensiv sein. 

Sich schließlich auf andere Menschen in anderen Kulturen, mit anderen Denkweisen und ganz anderen Lebensweisen einzulassen, braucht viel Offenheit. Zudem müssen Missionare selbst eine ganz neue Art in dem Wissen entwickeln, dass etwas kommt, was sie noch nicht kennen und möglicherweise unbequem und herausfordernd sein wird – zumindest am Anfang. 

Da stellt sich schon zurecht die Frage, warum man sich das antut. Ist es dann nicht leichter, wenn man einfach in seinem eigenen Land bleibt? Das könnte man meinen, wenn man den geistlichen Aspekt außer Acht lässt. Denn abgesehen vom Missionsauftrag Jesu ist die Offenheit für Neues generell in unserem Leben die Voraussetzung dafür, die wundervolle Vielfalt Gottes in unserem Leben zu erfahren und unseren Horizont zu erweitern. 

Wer sich innerlich verschlossen nur widerwillig in Neues hineinbegibt, bewahrt sich selbst vielleicht vor einigen unangenehmen Situationen. Er beraubt sich aber vor allem der Erfahrung, dass Gott sehr, sehr viel größer ist als das, was ich bisher kannte oder jemals denken konnte. 

Die Offenheit für Neues führt also dazu, dass ich selbst am meisten wachse – persönlich, geistig und vor allem geistlich. 

Mach dir ein konkretes Bild von Mission 

Auf dem Weg zum Missionar kann man sich im zweiten Schritt ganz konkret selbst vor Ort ein Bild machen. Was in vielen anderen Berufen mit einem Praktikum ermöglicht wird, ist auch für die Mission sehr empfehlenswert. Über einen mehrwöchigen Kurzzeiteinsatz, indem du angeleitet und begleitet wirst, kannst du sehr konkret und einfach herausfinden, ob Mission grundsätzlich etwas für dich ist. Vor Ort entdeckst du vielleicht sogar schon eine spezielle Aufgabe oder ein spezielles Land, das Gott dir besonders aufs Herz legt. 

Manchmal gibt es sehr praktische und einfache Hinweise, die dir eine Entscheidung erleichtern. Wenn zum Beispiel ein Land so heiß oder so kalt ist, dass es deiner Gesundheit dauerhaft schadet, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Gott einen anderen Platz für dich vorgesehen hat. 

Ein weiterer Vorteil eines Kurzzeiteinsatzes in einem Missionsland ist, dass du viel besser einschätzen kannst, welchen Beitrag du leisten kannst. Vielleicht merkst du, dass diese spezielle Aufgabe oder dieses spezielle Land nicht das ist, wo du deine Gaben einbringen kannst. Gleichzeitig kannst du so hautnah miterleben, was es heißt, in der Mission zu dienen und die Missionare vor Ort selbst fragen, was dir zu dem Thema auf dem Herzen liegt. 

Sehr häufig habe ich die Erfahrung gemacht, dass Teilnehmer am Ende des Einsatzes sagten: Ich wusste gar nicht, dass man auch als „ganz normaler Mensch“ Missionar werden kann und dass das gar nicht so „weit weg“ ist, wie ich immer dachte. 

Die Kernaufgabe eines Missionars 

Häufig begegnet mir von Interessierten für Mission der Einwand, dass sie ja eigentlich nicht in die Mission gehen können, weil sie nicht die Fähigkeiten besitzen, die ein Missionar haben muss. Ein Buchhalter, ein BWL-Absolvent, eine Biologin, ein Erzieher, ein Bauingenieur oder vielleicht auch eine Ingenieurin bei einem Autohersteller oder im Bereich Maschinenbau hat doch nichts gelernt, was man auch auf dem Missionsfeld einbringen könnte?! 

Dieser Einwand ist zwar nicht völlig unberechtigt, verkennt aber die Kernaufgabe des Missionars. Abgesehen davon, dass durchaus auch Buchhalter, Wirtschaftswissenschaftler, Lehrer, Ingenieure aller Art und die meisten anderen Berufe in ihren tatsächlichen Aufgaben auf dem Missionsfeld dringend gebraucht werden, liegt die eigentliche Aufgabe eines Missionars vor allem darin, die gute Nachricht weiterzugeben. Ich sage ganz bewusst nicht „predigen“ oder „verkündigen“, weil es noch so viel mehr Formen des Weitersagens gibt als die Predigt oder Verkündigung vor großen Massen. 

Während wir Menschen im Westen bei unserem Werkzeug oft von unseren angelernten Fähigkeiten und von Wissen sprechen, ist das wichtigste Handwerkzeug des Missionars seine Beziehung zu Gott, die in allen Bereichen seines Lebens – seiner Arbeit, seiner Beziehungen und vielen anderen Bereichen – erfahrbar und sichtbar wird. Deshalb ist die konkrete Tätigkeit auf dem Missionsfeld zwar nicht völlig unwichtig, steht aber erst an zweiter oder sogar dritter Stelle. Es geht also weniger darum, was ich tue, sondern vor allem darum, was ich bin und wie ich Dinge tue. Die nötigen Fähigkeiten für meine Aufgaben kann ich im Notfall erlernen, falls ich die notwendige Ausbildung nicht gemacht habe.  

Die Offenheit für Neues kombiniert mit einem von der Liebe Gottes erfüllten Herzen befähigen manchmal auch zu Aufgaben, für die ich kein Studium absolviert habe. 

Dabei müssen wir immer daran denken, dass es in der Mission hauptsächlich darum geht, dass Jesus immer mehr sichtbar wird. Die Art, wie ich Dinge anpacke; die Art, wie ich mit eigenen Fehlern und mit den Fehlern anderer umgehe; wieviel Zeit ich mir für den Menschen nehme; ob ich Menschen zeigen möchte, was ich kann, oder ob ich mir die Zeit nehme, Jemanden zu befähigen, das zu tun, was Gott in die Person hineingelegt hat – all das ist wichtiger als das, was ich tue. 

Unsere Hauptbotschaft als Christen ist nicht die Perfektion. Unsere Hauptbotschaft ist eine Person. Menschen aus allen Nationen auf diese Person – Jesus Christus – hinzuweisen ist unsere Hauptaufgabe. Alles was wir tun, ordnen wir dieser Hauptaufgabe unter. 

So ist es möglich, dass eine Erzieherin zwar nicht im Kindergarten arbeitet, aber Eltern Hilfestellung gibt, wie Kinder lernen und wie man sie im Willen Gottes erziehen kann. Dann kann ein Ingenieur auf dem Missionsfeld vielleicht nicht den Motor eines neuen Fahrzeugs erfinden, aber Kindern technisches Verständnis beibringen oder Erwachsenen helfen, einen Generator zu reparieren. Oder er unterrichtet die Grundlagen der Mathematik oder begeistert Menschen für die unfassbar genialen physischen Gesetze, die Gott in unsere Natur hineingelegt hat. Jeder gebraucht seine Fähigkeiten vielleicht an noch ganz anderen Stellen außerhalb des beruflichen Rahmens, um Menschen von Jesus zu erzählen! 

Bereite dich gut vor 

Ein letzter, wichtiger Schritt zum Missionar kann allzu schnell unterschätzt werden. Die Erfahrung, dass Missionare nicht so perfekt und unnahbar sind, wie sie manchmal aufgrund unterschiedlicher Umstände wirken können, verleitet schnell zu dem Gedanken, dass es doch einfach ist, Missionar zu werden und man keine Vorbereitung braucht. Mir scheint, dass besonders junge Menschen die Notwendigkeit einer Vorbereitung übersehen. 

Das hat sicher unterschiedliche Gründe. Der Tatendrang mag einer davon sein. Hier sehe ich aber die Verantwortung bei erfahreneren Männern und Frauen, den Menschen voller Tatendrang (ob nun jung oder alt) die Notwendigkeit einer guten Vorbereitung deutlich zu machen. 

Wir können nämlich schnell dem Irrtum erliegen, dass wir zwar für unseren Beruf in Deutschland eine Ausbildung brauchen, aber weil Mission eine Herzensangelegenheit ist und wir unser Herz ja mitnehmen, dafür keine oder nur wenig Vorbereitung gebraucht wird. Dabei bergen das Leben und die Arbeit in einer anderen Kultur viele Möglichkeiten, Fehler zu machen, ohne es überhaupt zu merken. 

Schnell lässt sich das Vertrauen von den Einheimischen verspielen, weil man nicht sensibel genug war. Zu schnell ist man mit theologischen, persönlichen, wirtschaftlichen oder anderen Themen konfrontiert, die man so auf dem Missionsfeld nicht erwartet hatte.I m eigenen Land ist vieles so selbstverständlich , dass man noch nicht einmal auf den Gedanken kommt, sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen. 

Während meiner theologischen Ausbildung sagte einer meiner Lehrer uns immer wieder: „Für die beste Botschaft der Welt brauchen wir die bestmögliche Ausbildung! Dafür ist es nicht zu viel, sich die Zeit zum Vorbereiten zu nehmen.“ 

Wenn wir die Dringlichkeit von Mission und die Not in der Welt betrachten und sie uns mitnimmt, ist der Gedanke an eine gute und zeitintensive Ausbildung schwer anzunehmen. Gleichzeitig ist es unverantwortlich, wenn wir uns anderen in der besten Absicht, aber unvorbereitet, zumuten und dabei so viel falsch machen können, dass wir am Ende mehr schaden als helfen. 

Nicht zuletzt müssen wir immer daran denken, dass Gott uns nicht nur deshalb als Missionare beruft, weil die anderen Menschen ihn brauchen. Missionare haben vor allem das Privileg, selbst durch Gottes intensive Schule zu gehen. Das kann manchmal auch schmerzhaft sein. 

Bei Mission geht es also nicht nur um die Menschen, denen wir dienen. Gott gebraucht Mission, um uns zu formen. Denn wenn es nur um die noch unerreichten Menschen ginge, könnte Gott das vermutlich ohne uns am besten. Mission hat den zweifachen Zweck, durch uns andere zu erreichen und durch uns, uns selbst zu erreichen. Gottes Mission ist Mission an anderen und immer auch Mission an uns. Was für ein Vorrecht, Teil von Gottes Wirken in der Welt zu sein! Welche Schritte bist du bereits gegangen, um deinen Platz in Gottes Mission zu entdecken? 

Über den Autor

Anatol Friesen

Anatol Friesen

Anatol war nach seinem Theologie-Studium fünf Jahre Missionar in Malawi und danach fünf Jahre im Personal Service bei To All Nations tätig.

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